Einmal ein Feuerwehrmann – immer ein Feuerwehrmann!
26.1.2002. 21.20 Uhr: Der gemütliche Fernsehabend wird jäh durch quälenden Rauch gestört. Die Hausbesitzerin ruft nach ihrem Mann, der sofort ahnt, dass etwas Schreckliches in der anderen, nebenstehenden Wohnung vor sich geht. Eher widerwillig verlässt er mit seiner Frau die Wohnung, um auf der anderen Seite zu schauen, was los ist. An der Haustüre angekommen, sieht er durch das Glas eine rötliche Farbe und weiss sofort: Feuer! Als ehemaliger Feuerwehrmann zieht er den bereits gesteckten Schlüssel aus dem Schloss. Ja nicht die Türe öffnen – das habe er einaml in der Feuerwehr gelernt, berichtete er mir später.
Dem Ehepaar gelingt es in der Aufregung nicht die Feuerwehr zu alarmieren. Ein Nachbar, der zufällig vorbeifährt, kann die Notrufnummer 118 für ihn wählen. Die Alarmmeldung erreicht die erste Pikettgruppe um 21.31 Uhr: Rauchentwicklung in Disentis, s. Gions. Nähere Informationen sind nicht zu erfahren.
Als ich das Feuerwehrmagazin um 21.34 Uhr erreiche, sind bereits drei Feuerwehrleute in der Umkleide. Zusammen mit einem Offizier erreichen wir die Einsatzstelle um 21.39 Uhr. Wir rekognoszieren die Lage und stellen fest, dass:
• keine Personen oder Tiere gefährdet sind
• keine Flammen sichtbar sind
• durch die enge Bauart von verschiedenen Seiten Übergriffe möglich sind, wenn sich das Feuer ausweitet
• es in der zweiten Wohnung eine enorme Hitze herrscht und die Gefahr eines Backdrafts besteht
• die zweite Wohnung westlich stark verraucht ist
• nur unter Atemschutz gearbeitet werden kann
• die Ausbreitung und Ausdehnung des Feuers nicht eindeutig ist
Sofort wird die zweite Pikettgruppe (21.42 Uhr) und somit der gesamte Atemschutz aufgeboten. Der erste Trupp aus dem Pikett 1 macht sich für den Einsatz bereit. Wir bereiten den Angrif vor, indem wir den Schnellangriff und eine 55er Leitung bei der Haustüre östlich postieren. Sobald ein zweiter Atemschutztrupp bereit ist, folgt der erste Angriff. Wir erleben einen grossen Backdraft, als die Haustüre geöffnet wird. Dieser wird jedoch mit Wasserdampf so stark bekämpft, dass der erste Trupp vorrücken kann und schnell die Stube der Wohnung erreicht, wo der Brandherd – ein Specksteinofen – ist. Das nun hell brennende Holz kann mit dem Rohr gelöscht werden.
In der Zwischenzeit wird die gesamte Feuerwehr (21.44 Uhr) aufgeboten. Zwischen Wohnhaus und und dem nächstgelegenem Wohnhaus (Distanz ca. 1.20 m) wird vorsichtshalber ein Hydroschild installiert, westlich wird eine zweite Transportleitung mit zwei Druckleitungen aufgebaut, um das Feuer von der westlichen Wohnung aus bekämpfen zu können. Die zweite Leitung dient als Sicherung für die südliche Seite. Ziel ist es, das Feuer nach aussen zu treiben, sprich gegen Süden.
Der Atemschutztrupp in der Wohnung westlich stellt einen Feuerdurchbruch auf zwei Böden fest, kann diesen aber schnell löschen.
Nach kurzer Zeit ist die Lage unter Kontrolle. Nun geht es darum, die Wandverkleidungen und Decken zu entfernen, um die dahinterliegende Holzwand und das Isolationsmaterial abzulöschen. Auch Möbel müssen abgelöscht werden. Diese Arbeiten müssen nicht mehr unter Atemschutz stattfinden, sodass an verschiedenen Stellen mit der Aufgabe begonnen werden kann. Die Betreuung der nun komplett anwesenden Hausbewohner wird sichergestellt. Auch die Feuerwehr bekommt durch den Samariterverein eine Verpflegungsmöglichkeit.
Um 01.30 Uhr ist der Einsatz für die Feuerwehr zu Ende. Eine Brandwache sichert bis 09.00 Uhr die Einsatzstelle.
Einem Disentiser Feuerwehrkommandanten bereiten die alten Dorfteile in Disentis-Dorf, aber auch in den umliegenden Weilern Sorgen. Und gerade hier hat es diesmal (wieder) zugeschlagen. Nur Dank dem, dass der Hausbesitzer die besagte Haustüre nicht öffnete, entkamen wir einer Katastrofe. Ein Backdraft ohne Wasserangriff hätte das dürre und bereits stark erhitzte Holz schnell entzündet. Beim Eintreffen der Feuerwehr wären das Haus und vielleicht schon bald die umliegenden Gebäude in Vollbrand gewesen. Der Schaden beschränkt sich somit „nur“ auf ein Wohnhaus mit drei Wohnungen, welche aber nicht mehr bewohnbar sind. Sachschaden nach ersten Schätzungen ca. 250‘000.00 Fr.
Auch das besonnene Angreifen (genügend Löschmittel zum ersten Angriff) hat schadenmindernd gewirkt. Auffallend ruhig haben alle Beteiligten gearbeitet, die Chaosphase am Anfang konnte praktisch vermieden werden. Unsere Strategie, dass der Einsatzleiter mit oder ohne Stellvertreter so schnell wie möglich zur Einsatzstelle kommt, um sich ein Bild zu machen, bevor die ersten Feuerwehrleute eintreffen, hat sich bewährt. So konnte die Schadenlage stressfrei aufgenommen und die Taktik gut vorausgeplant werden.
Den Feuerwehrleuten möchte ich meinen Dank aussprechen. Einige von ihnen hatten ihren ersten Einsatz und besuchten erst vor zwei Wochen einen Einführungskurs. Sie haben diese „Feuertaufe“ bestens überstanden. Danke auch für die gute Zusammenarbeit an die Kantonspolizei und dem Samariterverein.
Speziell erwähnen möchte ich hier auch die Kollegen aus Greifensee (ZH), ganz besonders Ihren kant. Feuerwehrinstruktor, der unsere Lagebeurteilung überprüfte und nützliche Ratschläge gab.
Natürlich gibt es noch Punkte, die verbesserungswürdig sind. Wir haben diese notiert, um sie in unseren Übungen zu besprechen und Massnahmen zu ergreifen. Wir dürfen aber stolz sein, dass es nicht grobe Fehler sind, sondern lediglich solche, welche eine gute Feuerwehr von einer noch besseren unterscheidet.
Eingesetzte Mittel:
• TLF
• Einsatzfahrezug
• Transportfahrzeug
• Schnellangriff
• 4 Transportleitungen, 2 davon ab Hydrant
• 6 Druckleitungen, 4 davon prophylaktisch
• 1 Hydroschild
• Mannschaft: 38 Mann (4 Logistik, 4 Offiziere, 30 AdF, davon 14 AS)