Die Originaltexte finden sich auf den romanischen Seiten. Die Texte sind in der Sprache der damaligen Zeit verfasst und darum recht schwierig zu übersetzen. Darum folgt hier eine möglichst detailtreue Fassung, die jedoch nicht worttreu ist. [Aus Il Glogn 1936] — Um dem Leser zu zeigen, wie eindrucksvoll dieses Unglück für unsere Urahnen war, wollen wir die Zeitungsnachrichten der damaligen Zeit wiedergeben – jeder kann sich so seine Gedanken machen: “Am 16. Oktober 1836 um ein Uhr nachmittags, während das Volk in der Kirche war, ist ein Feuer in Mumpé Medel, einer Ortschaft von Disentis, ausgebrochen. Innerhalb einer Stunde sind 7 Häuser und 6 Ställe zu Asche und Staub verwandelt worden, 13 Familien stehen auf der Gasse. Die wenigen Möbel und die gerade untergebrachte Ernte sind ebenfalls ein Raub der Flammen geworden. Der Schaden beläuft sich auf 16000 Gulden und weil die Not in diesem Jahr besonders gross ist, wird dieser Betrag noch mehr schmerzen. Durch die allgemeine Not können nur wenige helfen. Öffnet eure Schätze, mit denen euch der Himmel belohnt hat, nehmt euer Herz in die Hand. Wer helfen möchte, soll sich bitte an die Redaktion des Grischun Romontsch [damalige Zeitung] wenden. (Il Grischun Romontsch, Nr. 36. 1839, November) Ein bischen genauer, wie sich das Unglück zugetragen hat, berichtet der Chronist des Klosters [Disentis]. Er sagt, dass der Konvent beim Mittagsessen war, als die Glocken von s. Gions Feueralarm schlugen. Und was für eine Überraschung für die Mönche! Als sie aus dem Fenster schauten, sahen sie das Feuer inmitten des Dorfes Mumpé Medel. Daraufhin hätten auch sie die Glocken geläutet und seien, zusammen mit den Disentisern, nach Mumpé Medel gerannt, um zu helfen. Noch bevor sie dort eintrafen, brannte bereits das ganze obere Dorf, ja sogar das Dach der Kapelle in Summa Crusch hätte bereits Feuer gefangen. Doch die Kapelle konnten sie retten. Auch wenn sie schneller gewesen wären, wäre der Kampf gegen das Feuer wegen Wassermangel aussichtslos gewesen. Das Feuer ist im Haus von Gion Battesta Jacomet ausgebrochen und hat sich von dort mit rasanter Geschwindigkeit über das ganze Dorf ausgebreitet. Alles ist abgebrannt, ausser einem Haus in Summa Crusch ([Anmerkung von 1936:] dieses, wo heute Giachen Schmed wohnt!). Zum Glück liefen gerade 3 Männer aus Siat und Bistgaun Sialm von Segnas, vom Markt in Lugano zurückkommend, durch Mumpé Medel. Diese Männer hatten eine gute Eingabe gehabt und seien von Haus zu Haus gerannt, um Kinder, alte Leute und Kranke zu retten. Sie haben eine kranke Person, die im Bett lag, und drei Kinder der Familie Disch, die im Haus eingesperrt waren, gerettet. Wären sie nicht schnell gewesen, wären diese vier Personen verloren gewesen. Für die Rettung anderer Sachen hatten die Männer keine Zeit. (siehe: Acta Capitularia ac simul Chronica Monasterii Desertinensis, Tomus III, p. 167) Das Jahr 1836 war allgemein ein schlechtes Jahr mit viel Elend und man kann sich etwa vorstellen, wie die armen Leute leiden mussten, denn es gab noch keine Versicherungen oder andere soziale Einrichtungen. Doch der Vorstand des Kreises Disentis hat sofort einen Hilferuf veröffentlicht. Dieser hatte grosse Wirkung. Dieses handschriftliche Dokument ist sehr interessant und folgt hier: Disentis, den 19. Oktober 1836
Jedem Bewohner unseres Kreises ist zu Ohren gekommen, welch grosses und schreckliches Schicksal den Bewohnern von Mumpé Medel zugestossen ist. Sieben Häuser und neun Ställe mit einer grossen Ernte für Tier und Mensch sind in Staub und Asche verwandelt worden. Die meisten betroffenen Familien sind arm und somit von ihrem gesamten Nahrungsmittelvorrat beraubt worden: das Vieh, die Früchte des Bodens, nämlich die Kartoffeln, die gerade unter Dach gebracht wurden. Auch Möbel und Werkzeuge, die normalerweise in einem Haushalt untergebracht sind, wurden Opfer der Flammen und die Bewohner haben alles verloren, ausser diejenigen Sachen, die sie zum Zeitpunkt auf sich selber trugen. Diese armen und unglücklichen Leute haben sich an den löblichen Gemeindevorstand gewendet mit der Bitte, er möge ihnen helfen. Der löbliche Gemeindevorstand hat über das traurige Schicksal und die hoffnungslose Situation der Betroffenen nachgedacht. Der Vorstand hat zudem einsehen müssen, dass es eine heilige Pflicht ist, mit allen Kräften den Opfern zu helfen, ja, dass sogar unsere Religion uns dazu verpflichtet und uns auch die Natur diese Pflicht „in den Hals gesetzt hat“. Der löbliche Vorstand hat beschlossen, den Schaden genau zu untersuchen und ist zum Schluss gekommen, dass sich dieser auf 16 460 Gulden beläuft, ich schreibe sechzehntausendvierhundertsechzig. Um also diese Unglücklichen zu trösten, aber auch seiner Pflicht nachzukommen, hat der löbliche Vorstand für gut befunden, die anderen Gemeinden zu fragen, ob es ihnen gefalle, die ganze Kreissteuer, oder auch nur einen Teil davon, den Opfern zukommen zu lassen oder ob sie auch einen anderen Betrag aus der Gemeindekasse beitragen wollen. Auch wenn der löbliche Vorstand die anderen Gemeinden um Hilfe bittet, will er sehnlichst nicht unterlassen, die Opfer dem Wohlwollen eines jedem zu empfehlen, ob reich oder arm, jeder nach seinen Kräften. Es handelt sich hier nicht um gewöhnliche Bedürfnisse und es geht nicht um Almosen, die leider durch Unfug mehr dort für Gewinn sorgen, wo schon Gewinn vorhanden ist. Sondern es handelt sich hier um richtige Unglückliche, um fleissig arbeitende Familien, die bis heute durch ihren Schweiss sich selber ernährt haben und die auch nicht sparsam gewesen wären, wenn das Unglück andere betroffen hätte. – So habt Erbarmen mit ihnen und gebt ihnen was euch am nächsten liegt. Alles ist für sie nützlich und brauchbar. So leistet ein grossartiges Werk der Barmherzigkeit und euer Lohn wird vor dem Gott-Vater der Barmherzigkeit gross ein, welcher sagt: was ihr meinen Armen getan habt, habt ihr für mich getan. Nutzt diese Gelegenheit, sodass am Tag des jüngsten Gerichtes euch nicht gesagt wird: ich war nackt, ihr ihr habt mich nicht gekleidet, ich hatte Hunger und ihr habt mir nichts zu Essen gegeben. Geht von mir fort, denn ich kenne euch nicht. Für die Kommission des löblichen Gemeindevorstandes
Gion Michel Flury
Amtlicher Schreiber Zusammenfassung: Auch wenn der Aufruf grossen Anklang fand, konnte die Summe von 16000 (Wert 1936: 38‘000 Franken) Gulden nicht zusammengebracht werden. Immerhin war der gesammelte Betrag eine grosse Erleichterung. Spenden kamen von überall her, vor allem die einheimischen Söldner spendeten grosse Summen. Aufsehen sorgte ein Artikel in der Zeitung Grischun Romontsch, der vor allem die Spenden der Reformierten hervorhob. Die Zeitung vergass nämlich, die Beiträge der angrenzenden, katholischen Gemeinden der Cadi hinzuzurechnen. Diese Beiträge waren recht gross und so musste der Artikel um den Religionsfrieden willen korrigiert werden. Das Dorf Mumpé Medel wurde an der gleichen Stelle wieder aufgebaut. Die Bewohner holten das Bauholz aus dem Wald von Clavadials/Fontauna, damals „eines der schönsten Wälder der Gemeinde Disentis“. Das Holz bekamen sie umsonst. G. Tenner